Patienteninformation zur Bleivergiftung
Aufgrund des gehäuften Auftretens von Bleivergiftungen im Raum Leipzig, die im Zusammenhang mit dem Konsum von Cannabisprodukten aufgetreten sind, möchten wir Sie auf Folgendes aufmerksam machen:
1. Wie gelangt Blei in den Organismus?
Unter normalen Lebensbedingungen werden aus der Umwelt mit der Atemluft und mit der Nahrung vom Erwachsenen täglich etwa 200 µg (= 0,2 mg = 0,0002 g) Blei aufgenommen. Diese Menge kann der Körper auch täglich wieder ausscheiden, sodass sich unter normalen Bedingungen ein Gleichgewicht zwischen Aufnahme und Ausscheidung einstellt. Über die Lunge (bis 70 % als Aerosole) gelangt mehr Blei bis in die Blutbahn als über den Magen-Darm-Trakt. Das macht verständlich, warum das Inhalieren von mit Blei belasteten Rauchwaren innerhalb kurzer Zeit zu einer erheblichen Bleiaufnahme führen kann. Die aufgenommene Bleimenge hängt vor allem von der Belastung der Rauchware und der Häufigkeit des Konsums ab.
2. Wie verhält sich Blei im Körper?
Das aufgenommene Blei wird im Blut zu 90 % an den Farbstoff der roten Blutkörperchen (Hämoglobin) gebunden. Mit dem Blut erfolgt eine rasche Verteilung im gesamten Körper. Die Organe (Leber, Nieren, Gehirn) speichern Blei in unterschiedlichem Maße, die Hauptmenge (90 %) wird aber in den Knochen und den Zähnen als Bleiphosphat gebunden und dort lebenslang gespeichert. Würde man die weitere Bleiaufnahme eines Menschen völlig unterbinden, ist erst nach 10 bis 20 Jahren die Hälfte des gespeicherten Bleis ausgeschieden. Das bedeutet aber, dass der Körper ohne medizinische Maßnahmen nicht in der Lage ist, eine einmal aufgenommene große Bleimenge wieder auszuscheiden. Es besteht die Gefahr einer chronischen Vergiftung.
3. Welche Bedeutung hat der Bleispiegel im Blut?
Das Auftreten von Vergiftungserscheinungen steht im Zusammenhang mit dem Bleispiegel im Vollblut. Bis zu einer gewissen Grenze (400 µg/l) sind die Betroffenen trotz deutlich erhöhter Spiegel beschwerdefrei, obwohl es schon zu Blutbildungsstörungen kommen kann (ab 200 - 300 µg/l). Eine Vergiftung besteht immer, wenn die Bleispiegel 700 µg/l erreichen oder überschreiten. Bei Werten ab 800 - 1000 µg/l kommt es zur Blutarmut (Anämie).
4. Welche Beschwerden und Symptome weisen auf eine Bleivergiftung hin?
Akute Bleivergiftungen (Bleispiegel 1000 µg/l Vollblut) gehen mit Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung und heftigen krampfartigen Bauchschmerzen ("Bleikolik"), psychischen Störungen (Schlaflosigkeit, Apathie, aggressives oder antriebsloses Verhalten) und motorischen Ausfallerscheinungen (Lähmungen im Bereich der Arme und Beine) einher. Bei der akuten Vergiftung kann es zu einer toxischen Hirnschädigung (Bleienzephalopathie) kommen. Chronische Bleivergiftungen (Saturnismus), die bereits durch die tägliche Aufnahme von 1000 µg (= 1 mg = 0,001 g) ausgelöst werden, machen sich oft schleichend und unspezifisch mit Schwäche, Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust und Magenschmerzen bemerkbar. Häufig besteht dann schon eine Anämie. Das Zahnfleisch kann grauschwärzlich verfärbt sein ("Bleisaum"). Bei plötzlicher Freisetzung größerer Mengen des gespeicherten Bleis aus dem Knochen (Stress, Stoffwechselstörungen, Infekte) kommt es zu Symptomen wie bei der akuten Vergiftung ("Bleikrise").
5. Welche Organschäden kann die Bleibelastung auslösen?
Blei hemmt den Aufbau des Hämoglobins bei der Reifung der roten Blutzellen im Knochenmark. Eine schwere Störung der Blutbildung (Hämatopoese) ist die Folge. Blei schädigt das periphere Nervensystem (Taubheitsgefühl; Lähmungserscheinungen) und das Gehirn (Gedächtnisschwäche, Schwindel, Krampfanfälle). Eine Nierenschädigung kann auftreten. Potenzstörungen bei Männern und gehäufte Fehlgeburten bei Frauen wurden häufig beschrieben. Die Verbindungen Bleichromat und Bleiarsenat sind krebsauslösend.
6. Wie wird eine Bleivergiftung behandelt ?
Neben symptomatischen Maßnahmen zur Behandlung akuter Beschwerden muss eine Entgiftung mit sogenannten Chelatoren durchgeführt werden. Diese Arzneimittel binden das Blei und führen zu einer deutlichen Beschleunigung der Bleiausscheidung über die Nieren. Art und Dauer der Behandlung richten sich nach dem Bleispiegel im Blut. Bei sehr hohen Spiegeln und akuten Vergiftungserscheinungen muss die Behandlung unter stationären Bedingungen durch intravenöse Verabreichung begonnen werden und wird dann durch längere Einnahme des Medikamentes fortgesetzt. Ist der Bleispiegel im Blut unter 400 µg/l abgesunken, kann die Behandlung unterbrochen werden. Bei einer chronischen Vergiftung muss aber mit einem erneuten Anstieg innerhalb von einem Monat gerechnet werden. Deshalb ist es unbedingt erforderlich, spätestens nach vier Wochen den Bleispiegel zu kontrollieren. Ist der Bleispiegel wieder angestiegen, muss erneut behandelt werden. Dieses Vorgehen muss solange (u.U. über mehrere Monate) fortgesetzt werden, bis der Bleispiegel nicht wieder ansteigt. Auf den Verzehr bestimmter bleibelasteter Lebensmittel (Leber, Nieren, Muscheln) sollte auf Dauer verzichtet werden. Idealerweise sollten die Spiegel am Ende der Behandlung nicht höher sein als die Referenzwerte der Bevölkerung [Kinder (6–12 Jahre) 50 µg/l; Frauen (18–69 Jahre) 70 µg/l; Männer (18–69 Jahre) 90 µg/l].
Quellen
- Kommission "Human-Biomonitoring" des Umweltbundesamtes. Stoffmonographie Blei. Referenz- und Human-Biomonitoring-Werte (HBM). Bundesgesundhbl. 1996; 39: 6, 236-241
- Lehrbuch der Toxikologie. Hrsg. von Hans Marquardt und Siegfried G. Schäfer. 2. Aufl., Stuttgart : Wiss. Verl.-Ges. 2004
- Taschenatlas der Toxikologie. Substanzen, Wirkungen, Umwelt. Hrsg. von Franz-Xaver Reichl. 2. Aufl., Stuttgart ; New York : Thieme 2002
- Wirth, Wolfgang. Toxikologie. Hrsg. von Christian Gloxhuber. 5. Aufl., Stuttgart ; New York : Thieme 1993
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